Der folgende Beitrag ist eine Zusammenfassung der Beiträge des Bandes 3/2001 der wissenschaftlichen Zeitschrift "Der Donauraum", herausgegeben vom IDM in Wien. (Erscheint im Herbst 2001; Herausgeber: Michael Jandl and Eva Kovacs). Der Sammelband entstand anläßlich einer Tagung über “Fragen der Minderheiten- und Flüchtlingsrechte in Mittel-Europa mit besonderer Berücksichtigung von Österreich und Ungarn” vom 25.-27. Jänner 2001 in Salzburg.
The following article is a summary of the papers collected in the Journal "Der Donauraum 3/2001", which will be published in the fall of 2001. This issue of the Journal is dedicated to Minority- and Refugee Rights in Central Europe (Editors: Michael Jandl and Eva Kovacs) and comes out of an expert conference on Issues of Minority- and Refugee Rights in Central Europe with particular emphasis on Austria and Hungary that took place from 25-27 January 2001 in Salzburg.


Minderheiten- und Flüchtlingsrecht in Mittel-Europa

Michael Jandl and Eva Kovacs


 


Auf Anregung der ungarischen Regierung veranstalteten das DDr.-Herbert-Batliner Europainstitut in Salzburg in Zusammenarbeit mit dem Teleki László Institut in Budapest eine zweitägige Tagung zum Thema Minderheiten- und Flüchtlingsrechte in Mitteleuropa mit herausragenden Experten auf diesem Gebiet aus Österreich, Deutschland und Ungarn. Ziel der Tagung, die in kleinem Kreis mit viel Gelegenheit zur Diskussion abgehalten wurde, war es, den wissenschaftlichen und in weiterer Folge den politischen Austausch auf dem Gebiete des Minderheitenschutzes in Mitteleuropa zu fördern. Im Anschluss an die Tagung wurden die Referenten gebeten ihre überarbeiteten Manuskripte zur Publikation in der Zeitschrift “Der Donauraum” einzureichen. Im Folgenden wird versucht zunächst eine Kurzfassung der Beiträge vorzunehmen, die daran anschließend nach Themengebieten geordnet wiedergegeben werden. Das Tagungsprogramm und ein Autorenverzeichnis finden Sie am Ende dieses Bandes.

In seinem Beitrag über völkerrechtliche Normen zum Minderheitenschutz in Mitteleuropa erläutert Univ.-Prof. Dr. Georg Brunner die relevanten Völkerrechtsquellen. Diese finden sich im Wesentlichen im UN Bürgerrechtspakt von 1966, mehreren KSZE (OSZE) Dokumenten, Europaratsabkommen, in den “Kopenhagen Kriterien” zur Erweiterung der EU von 1993, sowie in verschiedenen internationalen Verträgen auf bilateraler Ebene. Es wird deutlich, dass bis dato keine Legaldefinition des Minderheitenbegriffs existiert, sehr wohl aber ein Grundkonsens über die Voraussetzungen der Existenz einer schutzwürdigen Minderheit gegeben ist: 1) numerische Unterlegenheit 2) nicht dominante Position in der Gesellschaft 3) ethnisch/sprachlich/religiös objektive Unterschiede zur Mehrheitsbevölkerung und 4) gleiche Staatsangehörigkeit. Die sich aus den völkerrechtlichen Normen zum Minderheitenschutz ergebenden staatlichen Verpflichtungen sind allerdings hauptsächlich negativer Natur (Schutz vor Eingriffen), gleichwohl ist eine positive Diskriminierung in vielen Fällen sehr wohl zulässig. Während also der Gebrauch von Minderheitensprachen vor Behörden und Gerichten völkerrechtlich nur sehr schwach garantiert ist und auch das Recht auf Autonomie aus dem Völkerrecht nur schwer abgeleitet werden kann, wird die Freiheit des Bekenntnisses zur Minderheit international nicht mehr angezweifelt.

Dr. Kinga Gál beleuchtet in ihrem Beitrag die Autonomiebestrebungen in Siebenbürgen (Rumänien) und der Vojvodina (Serbien). Der wissenschaftliche und politische Diskurs über die Autonomie existiert schon seit 1994 im Kreis der ungarischen Minderheiten in den Nachbarstaaten Ungarns ebenso wie in den Werkstätten der ungarischen Politikwissenschaft. Die Höhepunkte waren in Siebenbürgen im Jahre 1996, in der Vojvodina im Jahre 1998. Dabei haben die ungarischen Minderheitenorganisationen, die Politologen und Rechtswissenschaftler durchaus unterschiedliche Meinungen zum Thema Autonomie. Die “Recommendation No. 1201 of the Parliamentary Assembly in the Council Europe” ermöglicht eine administrative Autonomie und speziellen Status auch für ethnische Minderheiten. Diese Empfehlung des Europarats wurde zum Ausgangspunkt der Diskussion über politische Autonomie. Eine andere Richtung thematisiert die kulturelle Autonomie der Minderheiten, wo sie einen größeren Prozentteil der Bevölkerung stellen. Eine dritte Diskussionslinie weicht wesentlich von den anderen ab, weil sie sich mit der regionalen Autonomie beschäftigt, das heißt, dass die Autonomie nicht nur den ungarischen Minderheiten sondern allen Bevölkerungsgruppen, die in einem gegebenen Gebiet leben, zukommt. Bis jetzt haben alle diese Diskussionslinien allerdings keinen Konsens gebracht und die Autonomiebestrebungen konnten deshalb auch keine Ergebnisse erzielen. In Ungarn unterstützte sie die Horn-Regierung (1994-98) zunächst nicht, während das Kabinett Orban die Diskussion revitalisierte, aber nur diskursiv und informal.

Um die Minderheitenrechte in Österreich geht es im Beitrag von MR DR. Heinz Tichy. Er spannt dabei einen Bogen von der verfassungsrechtlichen Verankerung im Jahre 1920 jener Minderheitenrechte, die vom Staatsgrundgesetz von 1867 übernommen wurden, über das Volksgruppengesetz 1976 bis zur jüngsten Staatszielbestimmung vom August 2000, die den “Schutz der Vielfalt” festschreibt. Die Einschränkung der Minderheitenrechte auf bestimmte Gruppen ist insbesondere durch 4 Kriterien bestimmt: 1) Nichtdeutsche Muttersprache und eigenes Volkstum 2) Staatsbürgerschaft 3) Beheimatung in Österreich (autochthone Minderheiten, die seit mindestens einem Jahrhundert in ihrem “traditionellem Siedlungsgebiet” in Österreich leben und 4) Gruppenbewusstsein. Andererseits nimmt das Minderheitenrecht in Österreich so gut wie keinen Bezug auf relative Bevölkerungszahlen (Eine Ausnahme bildet hier die verbindliche Zweisprachigkeit der Ortstafeln ab einem sprachlichem Minderheitenanteil von 25 %). Einige Volksgruppenrechte stehen überhaupt jedermann zu, ein Umstand der sich aus der Bekenntnisfreiheit zur Volksgruppenzugehörigkeit und der daraus resultierenden Unverbindlichkeit der Volkszählungen für Minderheitenzahlen ergibt. Das Prinzip des territorialen Bezuges der Minderheitenrechte in Österreich wiederum wird in mehreren Fällen durchbrochen, so zum Beispiel bei der Bekenntnisfreiheit und der Vereinsförderung (diese Rechte gelten in ganz Österreich).

Die hohen Standards im Schutz autochthoner Minderheiten in Slowenien werden von Dr. Miro Polzer erläutert. Diese sind insbesondere in Artikel 64 der slowenischen Verfassung verankert und garantieren eine eigene Minderheitenvertretung im slowenischen Parlament, die lokale Vertretung, den Gebrauch der Amtssprache und verpflichtenden zweisprachigen Unterricht in den Minderheitengebieten. Die autochthonen Minderheiten mit relativ geschlossenem Siedlungsgebiet befinden sich im Nordosten Sloweniens (ungarische Minderheit) sowie im Südwesten Sloweniens (italienische Minderheit), was auch Vorteile bei der regionalen Selbstverwaltung  mit sich bringt. Schwieriger ist hingegen die Situation der Roma und Sinti (von der Verfassung ebenfalls als autochthone Volksgruppe anerkannt), die geographisch verstreut leben und große Gruppenunterschiede aufweisen. Eine aktuelle und kontrovers diskutierte Frage der slowenischen Volksgruppenpolitik ist die Anerkennung der deutschsprachigen Bevölkerung als autochthone Minderheit. Deren Existenz wird durch eine österreichische Studie (Prof. Karner) bejaht, während sie durch eine zeitgleich erarbeitete slowenische Studie (Prof. Nezak et al.) jedoch bestritten wird. Diese Frage wird in Slowenien insbesondere auch deshalb zurückhaltend behandelt, weil befürchtet wird, dass sich über irgendwelche rechtliche Umwege aus der Anerkennung als Volksgruppe Restitutionsansprüche ergeben könnten und weil durch eine derartige Anerkennung der Deutschsprachigen auch zahlenmäßig wesentlich bedeutendere nicht-autochthone Minderheiten (Kroaten, Serben u.a.) die Anerkennung als Volksgruppe fordern könnten.

Die Erfahrungen der Minderheitenparteien in den rumänischen Regimes sind das Thema des Beitrags von Zoltán Kántor. Die ungarische Minderheiten in Rumänien kann man methodologisch nach Miroslav Hroch und Bruebaker verstehen. Sie differenzieren zwischen nationale Minderheiten und Nationalisierung der Minderheiten. In Rumänien nach dem Umbruch 1990 ist das Letztere geschehen: die politischen Eliten haben ein homogenes und nicht dynamisches “Image” (Organisationen, Schulen, Museen) über die ungarischen Minderheiten, obwohl es zur Zeit eher eine Entwicklung nationalisierter Minderheiten gibt.
Die Wahlergebnisse des Demokratischen Bundes der Rumänischen Magyaren (RMDSZ) zeigen die selbe Prozente wie schon früher. Die sagen aber fast nichts über die politische Repräsentation der ungarischen Minderheiten in Rumänien aus, weil die ungarisch-stämmigen Wähler meistens nicht die Partei selbst, sondern ihre ethnische Organisation wählen. An der letzten Wahl kandidierte auch Frunda für ungarische Minderheiten. Jetzt ist die RMDSZ wieder in der Koalition, weil es das Angebot der rumänischen Regierung akzeptierte: In diesem Kompromiss hat die RMDSZ auf die administrative und kulturelle Autonomie verzichtet, im Tausch dafür unterstützt die Regierung die Gründung der ungarischen Universität und die Erweiterung der Rechte über den ungarischen Sprachgebrauch. Seit 1996 begann eine positive Entwicklung: die inter-ethnischen Verhältnisse wurden verbessert, Ungarn und Rumänien haben gute Kontakte. Die Entwicklung aber fragmentierte und heterogenisierte die ungarische Minderheit in Siebenbürgen. Die Rolle der RMDSZ in der rumänischen Regierung und die Beziehungen mit der ungarischen Regierung dichotomisierte auch die RMDSZ. Die “Radikalen” betonen die Verstärkung der Gruppenidentität und die Geschlossenheit, die ”Konsensualen” hingegen die individuelle Integration in der rumänischen Gesellschaft.

Dr. Sándor Vogel diskutiert die europäische Integration Ungarns und die Problematik der ungarischen Minderheiten in den Nachbarstaaten. Die ungarische Außenpolitik zwischen 1989 und 2000 zeigt stärke Kontinuität und Unabhängigkeit von den aktuellen politischen Regierungen. Die Grundziele dieser Politik sind die euroatlantische Integration Ungarns, gute Verhältnisse mit den Nachbarstaaten und die Rechte der ungarischen Minderheiten in den Nachbarstaaten. Die bevorstehende EU-Erweiterung thematisiert nun verstärkt die Minderheitenrechte in den Nachbarstaaten. Die schwierigste Frage ist das Schengen-Abkommen, das die ungarische Minderheiten als “Teil” der ungarischen Nation nach der EU-Aufnahme Ungarns diskriminieren wird. Das so genannte “Statusgesetz”, das im Frühjahr 2001 in Ungarn  in Vorbereitung steht, versucht dieses Problem zu lindern.

Die interne Minderheitenpolitik Ungarns im Zusammenhang mit der EU Integration und dem angestrebten EU Beitritt erläutert Dr. Bela Rasky. Die EU Fortschrittsberichte vom November 2000 hatten Ungarn bei der Erfüllung der politischen Kriterien ein positives Zeugnis ausgestellt, Probleme gäbe es vor allem bei Flüchtlingen, der Behandlung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften und Frauen. Die großzügige ungarische Minderheitenpolitik ist ohne die Sorge um die ungarischen Minderheiten in den Nachbarstaaten der Republik Ungarn nicht erklärbar, und kann davon auch nicht getrennt werden. Eher engherzig ist die Behandlung der Roma, doch auch bei ihnen zeigen sich - sowohl im staatlichen als auch im "zivilen" Bereich - erste, zögerliche, positive Tendenzen. Laut Minderheitengesetz müssen Minderheiten mindestens ein Jahrhundert im Land sein, sowie ein “ethnisches Mutterland” haben, eine Definition, die Probleme bei der Behandlung von Ruthenen, Deutschsprachigen sowie später eingewanderten Migranten (wie z.B. 40.000 Chinesen in Budapest) aufwirft. Eine eigene Regierungsbehörde, das Amt für Nationale und Ethnische Minderheiten, überwacht die Minderheitenselbstverwaltung in den Bereichen Kultur, Bildung und Medien. Die Minderheitenselbstverwaltungen werden im Zuge der Lokalwahlen offiziell gewählt, wobei alle stimmberechtigten Bürger die Wahl haben, für welche nationale Selbstverwaltung sie stimmen wollen. Probleme mit EU-Standards sieht Rasky weniger in der Frage der Minderheitenpolitik Ungarns, als vielmehr in der Ethnisierung der Nachbarschaftspolitik der ungarischen Regierung, konkret in der Verabschiedung eines "Status-Gesetzes", welches bestimmten Bürgern der Nachbarländer, im konkreten den ungarischen Minderheitsangehörigen, gewisse rechtliche, soziale und bildungsmäßige Privilegien in der Republik Ungarn sichern soll und damit auf ethnischer Basis ein- und ausgrenzt.

In den Ergebnissen und aktuellen Problemen des Systems der Minderheitenselbstverwaltung in Ungarn spürt Ferenc Eiler den Dilemmata einer gesetzlichen Regelung nach. Die Situation der in Ungarn lebenden nationalen Minderheiten hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg sehr geändert: Bis 1968 forcierte das kommunistische Regime die Assimilation und die Minderheiten haben ihre Muttersprache aufgegeben. Nach 1968 wurden die nationalen Minderheiten zwar als staatsbildende Nationalitäten deklariert, doch bis 1990 ist fast nichts passiert. Erst 1990 ließ das erste frei gewählte Parlament ein Rahmengesetz in Kraft treten, das die freie Identitätswahl garantierte. Es gilt für jene Minderheitengruppen, die seit mindestens 100 Jahren in Ungarn angesiedelt sind. Es gibt heute 13 solche Minderheitengruppen, die individuelle und auch kollektive Rechte (ohne Registrierung) haben. Seit 1995 existieren in Ungarn auch Minderheitenselbstverwaltungen, die zugleich mit den Kommunalwahlen gewählt und nach staatlichen Normen finanziert  werden und sich auch durch Stiftungen unterstützen lassen können. Es gibt aber keine garantierte Minderheitenvertretung im Parlament. Problematisiert wird auch, dass das Rahmengesetz die Nationalitäten als politische Gemeinde installiert hat, obwohl sie keine solche Identität und Institutionen hatten. Ein weiteres Problem ist auch das “Ethno-business”, was man bei der Wahl im Jahre 1998 schon bemerken konnte. Da die gesamte Gemeinde die Vertreter der Minderheitenselbstverwaltung parallel mit den allgemeinen Gemeindewahlen wählt, wurden oft auch Nicht-Angehörige einer bestimmten Minderheit gewählt. So ist es oft geschehen, dass die ersten 5 Namen auf der alphabetischen Liste gewählt wurden. Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Praxis zu ändern: entweder das passive Wahlrecht auf die Angehörigen der Minderheiten zu beschränken oder einen anderen Zeitpunkt als die allgemeinen Gemeindewahlen für die Wahlen zu den Minderheitenselbstverwaltungen festzulegen.

Für die Volksmusikforscherin Dr. Ursula Hemetek bedeutet die “Romaproblematik” vor allem Probleme, die Roma verursacht durch die Mehrheitsbevölkerung haben. “Roma” steht dabei als Überbegriff für alle Volksgruppen der Zigeuner, wie die in Österreich lebenden Burgenland-Roma, Sinti und Lovara, deren Sprachen verschiedene Dialekte des Romanes bilden. Die Geschichte der verschiedenen Roma Gruppen ist eine Geschichte der Wanderungen, Verfolgungen und Diskriminierungen, die im Laufe der Jahrhunderte zu verschieden ausgeprägten Bräuchen und Identitätsbewusstsein geführt haben. In Österreich entstand erst 1989 die erste politische Vertretung der Roma, der schon 1993 die Anerkennung als Volksgruppe folgte. Das Bombenattentat von Oberwart, bei dem 4 Roma getötet wurden, hatte weitreichende Auswirkungen auf das Selbstverständnis als auch das Sicherheitsgefühl der Roma, und führte auch zu einer gewissen Polarisierung der Mehrheitsbevölkerung was die Akzeptanz der Roma in der Gesellschaft betrifft.

Die Situation der Roma in Ungarn steht im Mittelpunkt des Beitrags von Dr. Claude Cahn. Im Jahre 1993 verabschiedete das ungarische Parlament ein neues Gesetz, das einen Rahmen für Minderheitenrechte in Ungarn etablierte, der nach Meinung ungarischer Amtsträger wegweisend sein sollte. Es stellte sich allerdings heraus, dass dieses Regime welches durch das Minderheitengesetz von 1993 etabliert wurde – ein kompliziertes System von Beratungsgremien für lokale und nationale Regierungsstellen – bis dato nicht ausreichte um jene Probleme, die sich aus der speziellen Situation der Roma ergeben, zu lösen. Der Autor argumentiert, dass ein Minderheitenrechtsregime alleine nicht ausreicht um die grundlegenden Menschrechtsfragen im Zusammenhang mit der Situation der Roma zu lösen. Um zu einer Lösung dieser Probleme beizutragen müsse Ungarn – unter anderem – umfassende und wirksame Anti-Diskriminierungsgesetze verabschieden. In dieser Frage zeigte sich die ungarische Regierung aber bisher obstruktiv.

Der Beitrag von Mag. Reinhold Jawhari beschäftigt sich mit dem politischen Umgang mit den “neuen Minderheiten” in Österreich, also jenen Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg zugewandert sind. Kritisiert werden dabei vor allem die Folgen der “symbolischen Politik”, die durch die hektische Ausländergesetzgebung in der ersten Hälfte der 90er Jahre betrieben wurde. Ein äußerst bedenklicher Umgang mit bereits ansässigen Einwanderern manifestierte sich vor allem im Aufenthaltsgesetz von 1993, das seinen restriktiven Charakter bis zur Novellierung im Jahre 1995 behielt. Die kaum anwendbaren und zum Teil widersprüchlichen politischen Vorgaben von Bundes- und Länderebene für den Verwaltungsapparat bedingten dabei beinahe zwangsläufig behördliche Willkür im Vollzug der Ausländergesetzgebung. Diese gesetzlichen Vorgaben wurde schließlich gänzlich durch das neue Fremdengesetz 1997 abgelöst. Seit dem Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags zur Europäischen Union und der schrittweisen Ausdehnung der Gemeinschaftskompetenzen auf die Zuwanderungspolitik sind die Spielräume für die nationale Einwanderungspolitik kleiner geworden.

Der Beitrag von Univ.-Doz. Dr. Judit Tóth widmet sich dem Flüchtlingsrecht in Ungarn. In Ungarn existierte bis 1988 überhaupt kein Asylrecht, obwohl mehrere Wellen "kommunistischer" Flüchtlinge aus Chile und Griechenland nach Ungarn kamen. Nach 1988 kam eine größere Flüchtlingswelle aus Rumänien, der DDR und Ex-Jugoslawien nach Ungarn, die nur teilweise und mit Verspätung durch die Gesetzgebung und Verwaltung geregelt wurde. Als junger Rechtsstaat "tolerierte" Ungarn die Kriegsflüchtlinge und die Opfer der "ethnischen Säuberungen" ohne gesetzlicher Regelungen. 1996 erschienen die ersten Regelungen über das provisorische (temporäre) Asyl die bereits 1998, als die ersten Asylgesetze dafür ins Leben gerufen wurden, ihren Zweck verloren. Die Gesetze blieben “totes Recht”. In Ungarn wurden zwischen 1945-2000 etwa 200 Gesetze und Regelungen im Asylbereich erlassen, aber paradoxerweise zeigt die Praxis auf Verwaltungsebene eine andere Welt, wo die rechtliche Sicherheit der Flüchtlinge sehr schwach ist und es an Unterstützungs- und Integrationsmechanismen fehlt. Statistisch ist die strenge Praxis kaum zu erklären, weil die Einwanderungsrate sehr niedrig ist. Diese Situation verstärkt die Tendenz Ungarns ein Transit-Staat zu werden.

Um den Zusammenhang zwischen den Rechten von Religionsgemeinschaften und Minderheitenrechten geht es im Beitrag von Dr. Wolfgang Wieshaider. Obwohl der historische Minderheitenbegriff bis etwa 1918 auf religiöse Minderheiten abstellt, nimmt das österreichische Volksgruppengesetz von 1976 keinen Bezug auf religiöse Minderheiten. Dennoch ist in Mittel- und Osteuropa zumindest die gedankliche Verbindung von ethnischen Minderheiten und der Zugehörigkeit zu bestimmten Religionsgemeinschaften noch implizit gegeben. Rechtlich bestehen starke Parallelitäten in der Bekenntnisfreiheit, die sowohl für die Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften als auch zu Volksgruppen besteht. Andererseits sind Religionsrechte nicht auf Staatsbürger beschränkt und haben oft auch viel stärkeren kollektiven Charakter als Minderheitenrechte (gemeinsames Ausüben der Religion). Seit 1998 gibt es in Österreich, neben den anerkannten Religionsgesellschaften, auch die Möglichkeit als “religiöse Bekenntnisgemeinschaft” mit niedrigerem Status und niedrigeren Gruppenrechten registriert zu werden, wobei hier die Kriterien zur Anerkennung weniger strikt sind – eine Herangehensweise, die auch im Bereich der Volksgruppen zu überlegen wäre. Eine weitere inhaltliche Verbindung besteht dadurch, dass das Volksgruppengesetz von 1976 auch die Entsendung von “Kirchen und Religionsgemeinschaften” in den Volksgruppenbeirat vorsieht, wobei die Teilnahme hier auch allen “religiösen Bekenntnisgemeinschaften” offen steht.



DDr.-Herbert-Batliner Europainstitut Salzburg
A-5020 Salzburg, Griesgasse 17

in Kooperation mit dem

Teleki László Institut Budapest
 


Programm der Tagung
über die Fragen der Minderheiten- und Flüchtlingsrechte in
Mittel-Europa mit besonderer Berücksichtigung von Österreich und Ungarn
vom 25.-27. Jänner 2001 in Salzburg


 




25. Jänner, Abend

19:30: Empfang gegeben von Landeshauptmann Dr. Franz Schausberger im Restaurant K + K (Waagplatz 2, 5020 Salzburg). Begrüßung durch Herrn Landtagspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Helmut Schreiner

26. Jänner, Vormittag

9.00 Eröffnung
9.30 Internationaler Minderheitenschutz - Univ.-Prof. Dr. Georg Brunner
10.00 Searching for Autonomy, Hungarian Parties in the Neighbouring Countries -
Dr. Gál Kinga
10.30 Minderheitenrecht in Österreich - MR Dr. Heinz Tichy

11.00 Kaffeepause

11.15 Minderheiten in Slowenien - Dr. Miro Polzer
11.45 Experiences of the Minority Parties in the Slovak and Romanian Governments -
Kántor Zoltán

12.15 Diskussion

13.00 – 14.30 Mittagessen

Nachmittag

15.00 Ungarns europäische Integration und die Problematik der ungarischen Minderheiten  –
Dr. Vogel Sándor
15.30. Minderheitenproblematik – Die EU-Integration Ungarns - Dr. Rásky Béla

16.00 – 17.00 Diskussion
 

Abend: ca 20:00 Schlosskonzert im Schloss Mirabel

27. Jänner, Vormittag

9.00 Romaproblematik in Österreich - Univ.-Doz. Dr. Ursula Hemetek

10.30 Kaffeepause

10.45 Ergebnisse und Probleme des Systems der Minderheitenselbstverwaltung in Ungarn.
Dilemmas einer gesetzlichen Regelung - Eiler Ferenc

11.15 –12.15 Diskussion

12.30 –14.00 Mittagessen

Nachmittag

14.00 Flüchtlingsfrage und Flüchtlingsrechte in Österreich - Mag. Reinhold Jawhari
14.30 Refugee Law in Contemporary Hungary on the Way to EU - Dr. Tóth Judit
15.00 Religionsgemeinschaften und Minderheiten. - Mag. Wolfgang Wieshaider

15.30 Diskussion
 

Die Arbeitssprachen dieser Tagung sind Deutsch und Englisch.



Der folgende Beitrag ist eine Zusammenfassung der Beiträge des Bandes 3/2001 der wissenschaftlichen Zeitschrift "Der Donauraum", herausgegeben vom IDM in Wien. (Erscheint im Herbst 2001; Herausgeber: Michael Jandl and Eva Kovacs). Der Sammelband entstand anläßlich einer Tagung über “Fragen der Minderheiten- und Flüchtlingsrechte in Mittel-Europa mit besonderer Berücksichtigung von Österreich und Ungarn” vom 25.-27. Jänner 2001 in Salzburg.
The following article is a summary of the papers collected in the Journal "Der Donauraum 3/2001", which will be published in the fall of 2001. This issue of the Journal is dedicated to Minority- and Refugee Rights in Central Europe (Editors: Michael Jandl and Eva Kovacs) and comes out of an expert conference on Issues of Minority- and Refugee Rights in Central Europe with particular emphasis on Austria and Hungary that took place from 25-27 January 2001 in Salzburg.
 



HOME