Michael Jandl
Die Unzufriedenheit der Europäer mit den USA basiert auf ihrer eigenen Schwäche
Die Außenpolitik der USA und der europäischen Staaten seit dem 11. September 2001 hat sich nach den ersten Bekundungen „unbeschränkter Solidarität“ wieder auseinandergelebt. Während die USA offen ihre Macht demonstrieren, leidet die EU unter ihrem fehlenden globalen Gewicht und einer Kakophonie von außenpolitischen Stimmen. Von billigem Antiamerikanismus bis zu durchsichtigen Einschmeichelversuchen á la Berlusconi reicht die trotzige Palette im uneinigen Europa.
Die einzig verbliebende Supermacht der Welt (40 % der globalen Rüstungsausgaben) macht inzwischen beinahe täglich klar, dass sie die außenpolitischen Meinungen ihrer europäischen Freunde kaum ernst nimmt, ja mehr noch, dass sie sich in ihrem Kampf gegen das „Böse“ selbst an internationale Rechtsnormen nicht mehr gebunden fühlt. Derzeit „nur“ Irak-Iran-Nordkorea sind eine beträchtliche Anzahl von Staaten von der Aufnahme in den, neuerdings „axis of evil“ bezeichneten, Klub der Bösen bedroht. Libyen, Syrien, Kuba, ja selbst Saudi-Arabien und andere „Schurkenstaaten“ sind hier aussichtsreiche Kandidaten.
Die Missachtung der USA für internationale Abkommen wurde aber schon lange vor dem 11.9.2001 deutlich. Die einseitige Aufkündigung des ABM Vertrags, die absurde Weigerung, dem Atomteststopp-Abkommen beizutreten, die Nichtannahme von Zusatzprotokollen zur Anti-Folterkonvention sowie der Biowaffenkonvention, die Ablehnung des Kioto-Protokolls zum Klimaschutz usw. zeigten bereits einen Unilateralismus neuer Qualität, der sich durch die neue Besessenheit mit dem Terrorismus nur noch verschärft hat. In allen diesen Fragen war das Gewicht der EU einfach zu gering, um bei ihren amerikanischen Verbündeten eine Haltungsänderung zu bewirken.
Die wachsenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Europäern und US-Amerikanern werden die Beziehungen auf absehbare Zeit noch schwerer belasten. Und hier vor allem das große Thema Irak. Die USA haben mittlerweile klargemacht, dass sie eine Ablöse von Saddam Hussein wünschen, notfalls auch durch einen direkten Angriff auf den Irak ohne entsprechende UNO-Resolution. Die Reaktionen aus Paris und Berlin zeigen, dass das den meisten europäischen NATO Partnern nun doch zu weit geht. Aber was hat die EU, die aller Voraussicht nach die Scherben einer derart verfehlten Intervention auf Jahre hinaus zu tragen hätte, dem entgegenzusetzen? Schwache Proteste?
Die EU muss hier rasch zu einer einheitlichen Linie finden, will sie in ihrer Absicht eine „Europäische Außenpolitik“ aufzubauen nicht Jahre zurückgeworfen werden. Auch Verwandte müssen in der Lage sein klare Worte miteinander zu wechseln, wenn die Beziehung von gegenseitigem Respekt gekennzeichnet ist.
Der Autor, ein überzeugter Europäer, ist
u.a. Absolvent der Kennedy School of Government an der Harvard Universität.