Erinnern an die Opfer der Nationalsozialistischen Gewalt, Villach / Kärnten


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AKTIVITÄTEN

'Als es Österreich nicht mehr gab'

Eine Veranstaltungsreihe in der Studiobühne - Villach
März 1998


Das "Heim ins Reich" begann aber schon lange vor dem März 1938, denn die Anschlußbefürworter waren in Österreich in allen politischen Lagern, mit Ausnahme der KPÖ, weit verbreitet. Für die Mehrzahl der Österreicher war der Anschluß eine Befreiung, große Hoffnungen wurden damit verbunden und dementsprechend groß war der Jubel der Massen in Märztagen 1938. Endlich durfte der Hitlergruß öffentlich verwendet werden, endlich hörte die Zeit des Verbergens auf und die Abzeichen mußten nicht mehr unter dem Revers versteckt getragen werden. Aber für viele andere - Juden, Roma, Sinti, Kommunisten, Sozialisten, Zeugen Jehovas und Homosexuelle - begann eine Zeit der Verzweiflung, der Angst, des Versteckens, der Verfolgung, der Emigration und der Deportation.

Die drei Veranstaltungen in der Studiobühne sollten uns daran erinnern.
Der erste Abend, am 11.3.1998 stand im Zeichen des polnischen Pädagogen Janusz Korczak, der freiwillig mit zweihundert Waisenkindern nach Auschwitz in die Gaskammer ging, weil er die Kinder nicht allein diese grauenhafte Reise antreten lassen wollte. Bis zum Schluß versicherte er ihnen "Alles wird gut". Diese wahre Geschichte wurde in einem Puppenspiel dargestellt und trug den Titel: "Alles wird gut". Vorgeführt wurde das Stück vom Puppentheater Kiew-Ukaine in deutscher Sprache.

Am 25.3.1998 folgte eine Lesung von Johannes Spitzer unter dem Titel "Das Wort entschlief, als jene Welt erwachte". Dieser Satz stammt von Karl Kraus, einem der wohl exaktesten Beobachter Österreichs und Deutschlands. Seine Sprachbesessenheit, seine Liebe zur deutschsprachigen Literatur machte ihn besonders hellhörig. Er konnte wie kaum ein zweiter zwischen den Zeilen lesen, und in den Reden Zwischentöne hören. Karl Kraus war schockiert von der sprachlichen Unfähigkeit der NS-Demagogen, er verstummte vor der Bösartigkeit, die völlig offen in den Reden zur Schau getragen wurde. Die Bücherverbrennung, Emigration, Verfolgung und im schlimmsten Fall Ermordung, konnten nicht die gesamte deutschsprachige Literatur zum Schweigen bringen. Sowohl deutsche Exilliteratur als auch die Texte derjenigen, die damals nicht schweigen mußten,brachte Johannes Spitzer an jenem Abend zu Gehör.

Abgeschlossen wurde die Veranstaltungsreihe mit einer Lesung am 31.3.1998. Unter dem Titel "Erste Liebe" las Gunda König Gedichte von Selma Meerbaum (1924 – 1942) und Paul Celan (1920 – 1970). Selma Meerbaum und Paul Celan sind beide in Cernowitz aufgewachsen. Während der Monarchie galt die Stadt als Beispiel für ein friedliches und freundschaftliches Zusammenleben von Ukrainern, Rumänen, Juden, Deutschen, Polen, Ungarn, Slowaken, Armeniern und Zigeunern. Im Juli 1941 marschierten die Deutschen ein.Heute gibt es keine Multikulturalität mehr in dieser Stadt. Das Schicksal der Stadt war das Schicksal ihrer Bewohner, insbesondere wenn sie Juden waren. Selma Meerbaum starb mit 18 Jahren im Lager Michailovska an Flecktyphus. Der Gedichtband "Blütenlese", der von ihrer ersten Liebe handelt wurde gerettet. Paul Celan hat die mörderische NS-Zeit überlebt. Er setzte seinem Leben im Pariser Exil durch einen Sprung in die Seine ein Ende. Uns bleibt ein schmerzliches Erinnern.

Trotz des Jubels der Massen, der seither das Bild vom "Anschluß" bestimmt, ist es eindeutig: Österreich wurde 1938 besetzt und 1945 von alliierten Truppen befreit. Trotzdem gibt es viele Mitbürger, die das Jahr 1938 als Befreiung und 1945 als Niederlage verstehen wollen. Eine so gegensätzliche Geschichtsbetrachtung macht es notwendig, sich auch heute mit dieser Periode der Geschichte Österreichs auseinanderzusetzen. Die Veranstaltungsreihe in der Studiobühne sollte ein Beitrag dazu sein.

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