INTERVIEWS
- Zeitzeugen erinnern sich
Villacher Juden: Der 11. November
1938 - Das Judenpogrom
Die Situation nach dem Anschluß
Arabella Weißberger unmittelbar nach
dem Kriegsende in einem offiziellen Bericht:
"Die Nazis brachen die Wohnungstür auf und hatten dafür
auch mehrere Werkzeuge mit. sie machten sich über die Möbel
her und warfen fast alles aus den Fenstern, zerschnitten die Vorhänge
und Bilder und zerschlugen das schöne Geschirr. Dann warfen
sie auch die Münzen aus der Sammlung meines Mannes auf die
Straße, und was sie an Schmuck und Edelsteinen fanden, zertraten
sie entweder am Boden oder warfen es aus den Fenstern."
Aus: August Walzl : Die Juden in Kärnten
und das Dritte Reich. Klagenfurt 1987, S. 214.
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Eine Villacherin¹, die damals 9 Jahre alt war, erinnert
sich:
"Ich war neun Jahre alt und war statt in der vierten Klasse
Volksschule in der Vorbereitungsklassse für das Gymnasium.
Plötzlich hat man uns mitten aus dem Unterricht geholt und
wir mußten alle auf den Hauptplatz marschieren. Das ganze
Gymnasium ist unter der Führung der Lehrer zum Hauptplatz marschiert.
Dort hat man durch Lautsprecher eine Rede gehört. Irgend etwas
von einem Mord in Paris. Ich habe nichts verstanden. Als ich heim
kam, sind die Mutter und die Tante weinend in der Küche gesessen.
Sie haben vor Aufregung gezittert, weil im Nachbarhaus die Möbel
aus dem Fenster geflogen sind, und die Teppiche usw. Sie erzählte,
daß Arbeiter in blauer Arbeitermontur mit Lastautos hergeführt
wurden. Das war organisiert. Das war kein Volkszorn, sondern die
sind aus irgendeiner Fabrik geholt worden und mit dem Lastauto zu
den jeweiligen Judenwohnungen gebracht worden. Dort haben sie dann
alles kaputt gemacht. Sie haben die Gläser mit dem eingekochten
gegen die Wand geschmissen und auch die Eier. Der Herr Weißberger
war schon eingesperrt. Die Frau war keine Jüdin, sie war mit
der Tochter allein zu Hause und mußte alles miterleben. Die
Arbeiter sind noch zu uns hergekommen um eine Hacke zu holen, damit
sie das Klavier zerhacken können, weil es für das Fenster
zu groß war. Spät am Abend ist eine Nachbarin, sie war
eine illegale Nazisozialistin, sehr angesehen und konnte sich das
erlauben, mit ein paar Kisten zu dieser armen Frau hingegangen und
hat ihr die Kisten gebracht, damit sie nicht am Boden sitzen muß,
weil die Wohnung war komplett ausgeleert. Am Abend sind die Eltern
nachschauen gegangen, ob sie das überall gemacht haben - so
viele Juden waren nicht in Villach - und bei den anderen Wohnungen
war auch alles auf der Straße. Nach dem Krieg kamen sie zurück
und die Tochter erzählte mir: "Die gesamte Familie wollte
später nach Italien auswandern aber die italienische Grenze
war schon zu, und so sind sie nach Jugoslawien geflüchtet.
Als die Deutschen in Jugoslawien einmarschiert sind, haben sie sich
zu den Partisanen geschlagen. so haben sie die Jahre überlebt."
Das Paradoxe dabei ist, daß er während des Kärntner
Abwehrkampfes in Rosenbach oder Rosegg als Notar tätig war.
Jedenfalls hat er sich beim Abwehrkampf verdient gemacht und wurde
auch ausgezeichnet. Ein Abwehrkämpfer mußte also nach
Jugoslawien fliehen um zu überleben. als sie nach dem Krieg
wieder zurückkamen, haben sie die Wohnung wiederbekommen. Er
hat dann wieder als Notar gearbeitet. Die Tochter hat die Matura
als Externistin nachgemacht und dann Bodenkultur studiert."
Interview geführt von Herwig Burian.
¹ Name dem Verein bekannt.
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Eine anonyme Zeitzeugin:
"Die 'Kristallnacht' in Villach verfolgt mich noch immer. Ich
war zwölf Jahre alt und war am Nachhauseweg durch die Stadt,
als ich Zeuge wurde wie SA-Gruppen Fensterscheiben einschlugen und
Möbel auf die Straße warfen und diese anzündeten.
Während ich das Haus meiner Schulfreundin, deren Eltern Juden
waren, erreichte, versuchten gerade zwei SA-Männer deren Klavier
aus dem oberen Fenster hinauszuwerfen. Damit dies gelingen sollte,
schlugen sie mit einem schweren Hammer Teile aus dem Klavier, so
daß sie es durch das Fenster auf die Straße darunter
werfen konnten. wie ich vorbei ging, beobachtete ich entsetzt wie
das Klavier plötzlich auf dem Boden stürzte und jubelnde
SA-Schläger sich darauf stürzten und schnell zerstörten.
Meine Schulfreundin erschien am nächsten Tag nicht in der Schule.
Ich habe sie nie wieder gesehen."
Aus: Reg Herschy: Freedom at midnight. Austria:
1938 - 55 A story of the traumatic years of occupation. Worcester
1989, S.21. Übersetzt von Andrea Lauritsch.
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oben Leopold
Fischbach, Sohn von Moritz und Amalie Fischbach, berichtet in Briefen
über das Schicksal seiner Eltern, die ebenfalls ein kleines Geschäft
in Villach führten:
"Ich selbst habe Wien am 15. September 1938 verlassen und habe
gleich nach meiner Ankunft in den USA eine Kredit von US $ 1 000,-
aufgenommen, damit ich Visas nach Kuba bezahlen konnte. Meine Eltern
schifften im April 1939 ein. Das Schiff, die 'ST. Louis', wurde später
'Schiff der Verdammten' genannt. Die Kubanische Regierung hatte die
Visas nicht anerkannt und ließ die armen Menschen nicht landen,
auch Amerika nicht. Sie mußten zurück nach Europa, wo meine
Eltern nach Südfrankreich gelangten. Mein Vater wurde kurz darauf
in Gurs interniert. Nach seiner Freilassung war meine Mutter bereits
im nazibesetzten Gebiet. Er starb im Mirabeu Spital im Alter von 51
Jahren. Meine Mutter wurde im Jahre 1941 nach Auschwitz verschleppt
und ist in den Gaskammern umgekommen.
Privatbriefe an Manfred Hubmann
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oben Herr
Engelhart Anton aus Villach erinnert sich:
"Im Jahre 1938 bin ich in die 2. Klasse Hauptschule gegangen
- in die Richard Wagner Schule. Gewohnt haben wir in Tarvis. Mein
Vater war Eisenbahner und hat in Villach gearbeitet. Ich bin immer
mit dem Zug hin und her gefahren. Einen Tag haben wir Vormittagunterricht
gehabt und am nächsten Tag Nachmittagunterricht. An jenem Tag
haben wir Nachmittagunterricht gehabt. Als wir in die Schule gekommen
sind hat der Schulwart zu uns gesagt: 'Heut ist kein Unterricht, heute
ist Judenverfolgung.'Wir sind also gleich in die Stadt gegangen. Beim
Fischbach in der Italienerstraße, gegenüber dem Buchmarkt
'Libro', haben wir zugeschaut wie Sachen aus dem Fenster im 1. Stock
herausgeflogen sind. Es waren SA Leute in Uniform, die das gemacht
haben. die Sa Männer sind von hinten über den Hof mit einer
Leiter eingedrungen. Alles wurde auf die Straße hinuntergeschmissen:
Bücher, Geschirr, Silberbesteck, Bettwäsche, Lebensmittel,
auch die Vorhänge wurden heruntergerissen. Was nicht durch das
Fenster gepasst hat, ist zuerst zertrümmert worden. Zum Schluß
sind große Stoffballen heruntergeschmissen worden. Viele, die
sich daran beteiligt haben, und keine SA Uniform gehabt haben, haben
eine schwarze Hose, ein weißes Hemd mit einer Hakenkreuzbinde
und eine schwarze Krawatte angehabt. Öfter habe ich Frau Fischbach
beim Fenster gesehen. Eine zweite Frau ist auch oben gewesen. Die
ist ihr beigestanden und hat sie getröstet. Dann bin ich weitergegangen.
Beim Glesinger (Oberer Kirchenplatz) sind auch die Sachen auf der
Straße gelegen. Eine Leiter war beim Fenster angelehnt. Neben
der Buchhandlung Pfanzelt (westlich) war ein kleines Geschäft.
Dort wurde eine Frau herausgeschliffen und zur Gestapo hinuntergeführt.
Warum das weiß ich bis heute nicht. Der Hauptplatz war voller
Menschen. Ein unglaublicher Tumult. Auf dem Sockel der Pestsäule
sind Jugendliche gestanden, die immer wieder geschrien haben: 'Hoch
hänge der Jude am Laternenpfahl.' und 'Jude verrecke im eigenen
Drecke'. Daran kann ich mich ganz genau erinnern. Später habe
ich einmal einen großen Mann mit einer gelben Armbinde und einem
Judenstern gesehen. Er ist neben dem Gehsteig über dem Hauptplatz
hinaufgegangen."
Interview geführt von Hans Haider
nach
oben Herta
K¹. geborene Glesinger:
"Meine Tochter war damals klein. Ich habe sie nach dem Essen
ins Bett gelegt. Da sind sie gerade gekommen. Eine ganze Horde. Mit
einem sehr intelligent aussehenden Anführer. Und dann hat meine
Mutter gesagt:" Ich bin ja in Scheidung. Es gehört ja alles
mir!"- Sie haben uns trotzdem alles weggenommen. Wir sind im
Geschäft gewesen. Und da sind sie hereingekommen und stante pede
haben wir hinaus müssen. Sogar die Geldbrieftasche, Einnahmen
von einer ganzen Woche, war noch in der Kassa, da war alles weg. Wir
haben nicht mehr hinein dürfen. Es ist wohl weiter verkauft worden.
Sie haben einen Leiter gekriegt. Vor der Tür sind zwei SA-Männer
gestanden und so breitbeinig, und haben jeden, der hinein wollte,
gesagt: 'Das ist eine jüdische Firma!' "
Auszug aus einem Interview mit Herta K., geführt
von Andrea Lauritsch.
¹ Vollständiger Name dem Verein bekannt.
nach
oben Die
Zeitzeugin E.S¹. kann sich an das Judenpogrom in Villach noch
erinnern:
"Ich war damals 11 Jahre alt und bin die Hauptschule gegangen.
Wir hatten Nachmittag-Unterricht, der um 13 Uhr begann. Nach der Schule
bin ich bis nach Oberwollanig zu Fuß nach Hause gegangen. Im
Herbst und im Winter war schon finster, wenn ich heim gekommen bin.
An jenem Tag - nach der Schule - sind in der Italienerstraße
- Ecke Technischer Hof, beim Fischbachgeschäft - sehr viele Leute
herumgestanden. Ich bin näher hingegangen und dort war ein riesiger
Haufen mit verschiedenen Sachen - Geschirr, aufgeschlitzte Mehlsäcke,
zertrümmerte Möbel- auf dem Gehsteig. Rundherum lagen viele
Postkarten verstreut. Eine davon hab ich aufgehoben. Ich konnte das
Wort Gallizien lesen. Ein Wort, daß ich nie mehr vergessen habe.
Aus dem offenen Fenster im ersten Stock hat Frau Fischbach herausgeschaut.
Sie war in Trauer, weil kurz vorher jemand gestorben ist. Ich habe
sie gekannt, weil meine Mutter dort öfter eingekauft hat. Sie
hat die Hände über den Kopf zusammengeschlagen und geschrien:
'Mein Gott, mein Gott , so hört doch endlich auf.' Zwei Männer
haben sie an der Schulter gepackt und zurückgerissen. Ich war
erschrocken und habe Angst gehabt. Ich habe das alles nicht verstanden.-
Ich wußte nicht was Juden sind. Mein Empfinden war: 'Erwachsene
sind gewalttätig.' Als ich endlich daheim war, war es schon ziemlich
finster. Ich habe alles meiner Mutter erzählt. Ich wollte, daß
sie mir das alles erklärt. Meine Mutter sagte nur: 'Mein Gott,
was die da treiben, auch für die wird noch die Stunde kommen.'
Später, als ich schon in die LBA (Lehrerbildungsanstalt) gegangen
bin, habe ich in Villach öfter einen Mann mit einer gelben Armbinde
und einem schwarzen Judenstern gesehen. Er hat immer auf den Boden
geschaut. Nach dem Krieg bin ich draufgekommen, daß das der
Herr Zwerling vom Oberen Heidenweg gewesen ist. Der Zwerling hat diese
Zeit überlebt."
Interview geführt von Hans Haider, 7.10.1998.
¹ Vollständiger Name dem Verein bekannt.
nach
oben Protokoll
eines Interviews mit Frau Mathilde Wassertheurer, verwitwete Gradenegger,
über Sarah Maria Gornik.
"In den Kriegsjahren bis 1944 wohnte Frau Wassertheurer, verw.
Gradenegger, mit ihrem Sohn, dem späteren Abgeordneten zum Nationalrat
Hofrat Dr. Johannes Gradenegger, und ihrem Ehemann als Mieter im Haus
Adunka in Kiesweg 10 in Villach.
Im selben Haus führten Herr Wilhelm Gornik und seine Frau Maria
Gornik eine Greißlerei. Ihre Wohnung besaßen sie in der
Oberfeldstraße, neben der Familie Raunjak. Herr Wilhelm Gornik
hatte seine spätere Frau während des 1. Weltkrieges an der
Ostfront kennengelernt. Sie hatte ihm dadurch das Leben gerettet,
daß sie ihn acht Tage lang versteckt hielt. Schließlich
heirateten sie. Kinder hatte das Ehepaar keine. Frau Maria Gornik
soll das außereheliche Kind des jüdischen Hausherren, bei
dem ihre Mutter in Dienst stand, gewesen sein. Eines Tages im Jahre
1942 wurde Frau Maria Gornik vor der Greißlerei in Anwesenheit
von Frau Wassertheurer und ihrem Sohn, damals 10 Jahre alt, verhaftet.
Frau Maria Gornik hatte schon längere Zeit davor Angst vor einer
Verhaftung mitgeteilt, weil sie 'mosaischen Glaubensbekenntnisses'
war. Die Verhaftung erfolgte durch einen zivilen Gestapobeamten und
einen uniformierten Polizisten. Frau Maria Gornik wurde in den Gestapo-Arrest,
Ankershofengasse in Villach gebracht. Laut Aussage eines Villacher
Polizisten wurde sie während der Haft an den Haaren gerissen
und geohrfeigt. Auf Bitten von Herrn Wilhelm Gornik faßte Frau
Wassertheurer ihren ganzen Mut zusammen und ging in Begleitung ihres
zehnjährigen Sohnes und ihrer dreijährigen Tochter, die
sie zu ihrem eigenen Schutze mitnahm, zur Inhaftierten. Sie brachte
ihr RIF-Seife, Kreidezahnpasta, von Herrn Wilhelm Gornik selbst gebackene
Kekse und andere Utensilien. Herr Wilhelm Gornik fuhr in die Reichskanzlei
nach Berlin, um eine Enthaftung seiner Frau zu erwirken. Aber er konnte
nichts erreichen. Frau Maria Gornik kam ins KZ Auschwitz. Eines Tages
erhielt Herr Wilhelm Gornik den Totenschein. Frau Maria Gornik war
im KZ verstorben, angebliche Sterbeursache war Lungenentzündung.
Weiters erhielt Herr Wilhelm Gornik ein Päckchen, das er in Gegenwart
von Frau Wassertheurer und ihrem Sohn öffnete. Darin befanden
sich die Ringe und einige Utensilien der Frau Maria Gornik Herr Wilhelm
Gornik schloß sich dem Widerstand gegen das NS-Regime an."
Interview geführt von Adele Polluk, 1997.
nach
oben Interview
mit Frau Elsa Schluga, Tochter von Robert Deman. Frau Elsa Schluga
ist 1931 in Wien geboren und lebt seit 1938 in Villach.
"Mein Vater wurde im Juni 1939 verhaftet weil er Jude war. Er
arbeitete als Vertreter in der Textilbranche. Gleich nach dem Anschluss
haben mich meine Eltern aus Sicherheitsgründen zu meiner Tante
nach Villach geschickt. Meine Mutter, geb. Johanna Planer aus Steindorf
am Ossiachersee, ist nach England gefahren und bemühte sich dort
um ein Ausreisevisum für ihren Mann. Das ist ihr nicht gelungen.
Mein Vater und meine Großmutter wurden verhaftet und deportiert
und die Wohnung wurde beschlagnahmt.Dann ist meine Mutter nach Villach
gekommen und wir lebten alle zusammen bei der Tante.(auf der Heide
2) Den letzten Brief von meinen Vater erhielten wir aus Polen. Ich
glaube die Stadt hieß Tarnopol oder so ähnlich. Leider
sind die wenigen Briefe, die wir von ihm hatten, verlorengegangen.
Nach dem Krieg wohnten wir eine einige Zeit in der Raiblerstraße.
Als in Villach herumgemunkelt wurde, dass ich die Tochter eines Juden
bin schwebten wir in großer Gefahr,man wollte meine Mutter und
mich verhaften und deportieren. Wir hatten Glück. Mein Onkel,
er war ein Nazi, erzählte seinen Parteikameraden, dass ich eigentlich
das Kind eines Italieners sei,das meine Mutter in die Ehe mit Robert
Deman mitbrachte. Gott sei Dank haben die Nazi nicht genau nachgeforscht
und so überlebten wir. Wir hatten immer Angst."
Interview geführt von Hans Haider, Juli 1999
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oben
Interview mit O. F. Jahrgang 1922, wohnhaft Villach Tafernerstraße.
"Mein Vater war Eisenbahner, Schmied von Beruf. Meine Mutter
kam vom Bauernhof. Mit 6 Jahren bin ich zu den Kinderfreunden gegangen
und dann später zu den roten Falken. Unser Erzieher war Alois
Buttinger. Wir trafen uns immer im 'Sonnenhof Lind'. 1936 wurde
ich ausgeschult und 1937 bekam ich eine Lehrstelle beim Konsum.
Als es im März 1938 zum sogenannten Anschluß kam wurde
der Konsum sofort aufgelöst. Es erfolgte eine Umbenennung in
'Verbrauchergenossenschaft' und ein kommissarischer Leiter wurde
eingesetzt. Am ersten September 1939, als der Krieg ausbrach, bin
ich mit 17 Jahren Leiter der 'Konsum-Filiale' in Lind geworden.
Nach dem Anschluß hat sich im Konsum eine Widerstandszelle
gebildet. Ich erinnere mich noch an die Genossen Janz, Traninger
Paul, Zwitter Valentin, Schicho Anton. Vor allem sammelten wir Geld
für in Bedrängnis geratene GenossenInnen. Auch mit Lebensmittel
haben wir geholfen. Es gab immer ein 'schwarzes Lager' mit Lebensmitteln.
Unsere Kontaktperson, der wir immer unsere Spenden übergaben,
war Genosse Populorum, später SPÖ-Stadtrat von Villach.
Im Jahre 1941 bin ich eigerückt. Zuerst kam ich zum Reichsarbeitsdienst
(RAD), dann zur Wehrmacht. 1945 geriet ich in französische
Kriegsgefangenschaft.
An das Judenpogrom im November 1938, die sogenannte 'Kristallnacht',
kann ich mich recht gut erinnern. Ich bin damals um 15 Uhr 30 mit
dem Rad zur Arbeit gefahren. Als ich in die Peraustraße einbog
sah ich wie beim Notar Weissberger verschiedene Sachen aus dem Fenster
geschmissen wurden. Ein großes Klavier, das nicht durch das
Fenster passte, zerschlug man zuerst und warf dann die einzelnen
Teile herunter. Dabei wurde geschrien und gejohlt. Ich bin dann
weitergefahren in die Italienerstraße zum Fischbach. Auch
hier bot sich mir ein Bild der Verwüstung. Unter dem Gejohle
einer Menschenmenge wurde buchstäblich alles, Bettwäsche,
Bilder, Geschirr, usw., aus dem Fenster geschmissen. Am Abend bin
ich mit dem Fahrrad über den Hauptplatz nach Hause gefahren.
Das Geschäft des Juden Lilian am unteren Hauptplatz war ebenfalls
ausgeplündert. Viele Sachen sind auf dem Platz herumgelegen.
Der Herr Lilian ist vor dem Geschäft auf einem Rucksack gesessen
und hat geweint. Daran kann ich mich noch ganz genau erinnern. Gleich
nach dem 'Anschluß', noch im März 1938, sind alle 'jüdischen
Geschäfte' gekennzeichnet worden, indem man 'JUDE' auf das
Geschäft hinaufschrieb. Es war verboten bei einem Juden einzukaufen.
Leute, die es trotzdem wagten, stellte man zur Rede. Einmal habe
ich beobachtet wie man drei oder vier Leute, es waren keine Villacher,
den Hauptplatz hinunter führte. Sie hatten alle eine Tafel
umgehängt auf der geschrieben stand: 'Dieses arische Schwein
kauft bei einem Juden ein'. "
Anmerkung zur Person Filip Lilian: geboren am 20. Jänner
1881 in Galizien: Er war zuletzt wohnhaft in Villach Italienerstraße
15. Lilian, von Beruf Kaufmann, hatte ein kleines Geschäft
auf dem Hauptplatz in Villach. Am 12. September 1909 Eheschließung
mit Luzia Hauslich aus Wien geb. am 5. Juni 1883. Es gab drei Söhne:
Ignaz geb. 2. 2. 1911. Josef geb. 25. 6. 1915. Leo geb. 17. 2. 1918.
Trotz Nachforschung ist über das Schicksal der Familie Lilian
nichts bekannt. Quelle: Heimatrolle (Standesamt
Villach). Gespräch mit Leopold Rovensky (Schulkamerad von Leo
in der Richard-Wagner Schule)
Interview geführt von Hans Haider, 2000
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