Erinnern an die Opfer der Nationalsozialistischen Gewalt, Villach / Kärnten


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Verzeihen ja, aber niemals vergessen!
von Andrej Kokot

Andrej KokotDie Erinnerung ist die Grundlage des menschlichen Denkens. Hätten wir keine Erinnerung, wäre unser Leben sinnlos. Schon der Urmensch hatte das Bedürfnis sein Leben in Erinnerung zu behalten. Auf Felswände seiner unterirdischen Behausungen ritzte er seine Gestalten, Gegenstände und Tiere die für sein Überleben bedeutend waren. Auf Grund dieser Botschaften rekonstruiert die Wissenschaft die Entwicklung der Menschheit und ihres Weges in die Zivilisation. Alles was in den Jahrtausenden geschehen war, kennen wir unter dem gemeinsamen Nenner Geschichte, die wir auch das Gedächtnis der Menschheit bezeichnen.

Als Hitler in den dreißiger Jahren an die Macht kam und von seiner Vision vom Tausendjährigen Reich sprach, könnte nieman ahnen in welche Tragödie er mit seinem Nationalsozialismus die Welt stürzen würde. Als wir 1945 den Untergang des Dritten Reiches erlebten, erkannten wir das wahre Gesicht Hitlers und seiner Henker, die Europa und andere Teile der Welt zerstörten und Millionen Menschen ermordeten. Da wurde uns erst richtig bewußt, in welch eine Sklaverei die Menschheit geraten wäre, hätte man sich Hitlers Terror nicht widersetzt. Auch bei uns in Kärnten kam es zum Widerstand. Auf Grund dessen hat man Österreich nach dem Krieg den Status eines überfallenen Landes eingeräumt und zehn Jahre später als unabhängigen Staat anerkannt.
Ich wäre nicht objektiv, wenn ich nicht darauf hinweisen würde, dass am Widerstand gegen den Faschismus in Kärnten auch slowenische Partisanen beteiligt waren und zur Befreiung unserer Heimat beigetragen haben. Diese historische Tatsache wird oft verschwiegen, besonders unserer Jugend. Man hatte nicht den Mut die Wahrheit zu sagen, wie viele Opfer der Naziterror auch in Kärnten forderte.

'Erinnern' hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Namen dieser Opfer in Villach und im Bezirk Villach-Land ausfindig zu machen. Der Vereinn errichtete ein Mahnmal sowie Gedenktafeln mit den Namen der Opfer, um so die Öffentlichkeit auf die unrühmliche Zeit des NS-Regimes in dieser Gegend aufmerksam zu machen.
Der verbrecherische Plan des Faschismus wäre aber nicht so wirkungsvoll, hätte Hitler in Kärnten nicht so viele Helfer gehabt. Sie folgten blind dem Befehl: "Macht mir das Land deutsch." Dieser bedeutete die Ausrottung aller Menschen dieses Landes, welche sich nicht dem Gedankengut des Nationalsozialismus unterwerfen wollten und ihre Herkunft, ihrem Glauben oder ihre Weltanschauung treu geblieben sind. Dieser Befehl bedeutete auch das Todesurteil für die Kärntner Slowenen. Daher herrschte nach 1945 in Kärnten das Schweigen. Damit hat man das schlechte Gewissen über die unmenschliche Behandlung von Leuten anderer Nationalität unterdrücken wollen. Man wollte nicht zugeben, dass man sie enteignet hatte, von Haus und Hof vertrieben, sie eingesperrt und viele in Konzentrationslagern ermordet hatte.

Ich bin einer von denen, der diese schlimme Zeit als Kind miterlebte. Trotzdem habe ich den Morgen unserer Vertreibung in guter Erinnerung. Doch das Schweigen, das bei uns in Kärnten herrschte, war für mich unverständlich. Denn niemand im Dorf, in der Schule oder in der Öffentlichkeit wollte die tragische Geschichte unserer Familie hören. Niemand fragte uns, warum wir vertrieben wurden, was wir in den Lagern erlebt hatten, niemand wollte hören, dass wir Opfer des Faschismus waren.
Umso mehr die Jahre unserer Vertreibung vergingen, umso größer war in mir das Bedürfnis über die Ereignisse dieser Zeit zu reden. Daher beschloß ich meine Geschichte aufzuschreiben und das Buch der Erinnerung jennen Opfern zu widmen, die in dieser schrecklichen Zeit ihr leben verloren haben.
Unter ihnen war auch mein Bruder Jozek – Josef, der im Konzentrationslager Mauthausen ermordet wurde. Sein Schicksal war für unsere Familie sehr schmerzlich, denn Josefs Tod hat man unserer Familie acht Jahre lang verschwiegen. Acht lange Jahre haben wir gehofft und waren überzeugt, dass Josef eines Tages zurückkehren würde. Als uns die Gemeinde ohne jede Erklärung die Sterbeurkunde zukommen ließ, fühlten wir uns erniedrigt und betrogen. Mutter konnte den Schmerz nicht überwinden und ist bald darauf gestorben. Zwanzig Jahre später habe ich erfahren, dass Josef der einzige Kärntner Slowene war, der auch im so lange verschwiegenen Nebenlager von Mauthausen auf der österreichischen Seite am Loiblpass interniert war, von dort wieder ins Zentrallager nach Oberösterreich gebracht, wo man ihn 1944 erhängt hatte.

Dies erzähle ich nicht, um für unsere Familie Mitleid zu erwecken. Der Faschismus forderte Millionen von Opfern, mein Bruer war eines unter ihnen. Ein Tod der aus Verbrechen verübt wurde, ist für die Angehörigen ein schwerer Schlag. Der Schmerz wäre aber umso größer, wenn man die Namen der Opfer verschweigen würde und in Vergessenheit geraten ließe.
Dem Verein 'Erinnern', gilt mein aufrichtiger Dank! Ich glaube dies auch im Namen aller Angehörigen tun zu dürfen. Denn mit dieser edlen Tat hat der Verein 'Erinnern' den vergessen Opfern, die für unsere Heimat gestorben sind, ein würdiges Denkmal errichtet, um sie so in unserer Erinnerung zu behalten.
Ich rufe besonders die Jugend auf, wachsam zu sein, dass das Gedankengut jener Zeit nicht wieder verherrlicht wird. Wenn jungen Menschen auch die dunkle Seite unserer Geschichte offenbart wird, dann wird sie auch erfahren, wie viele Opfer der Nationalsozialismus bei uns gefordert hat. Dann wird auch ihr bewußt, wie kostbar der Friede ist in dem sie aufwächst und ihre Zukunft gestaltet. Denn wer nur eine Seite der Geschichte seines Landes kennt, kann seiner Heimat gegenüber nicht aufrichtig sein. Besonders jetzt, als wir in geographisch ser nahen Ländern Ereignisse wahrnehmen mußten, die mit der Vision des Friedens nicht im Einklang sind. Sie konfrontieren uns mit Haß, Vertreibung und Massenhinrichtungen. Daher kann ich mir sehr wohl vorstellen, was in den Seelen jener Kinder vorgeht, die die ethnischen Säuberungen miterleben mußten. Diese traumatischen Erlebnisse werden sie ein Leben lang belasten.

Wir wissen, dass man das Unrecht schwer ertragen kann, dass es Rache und Vergeltung hervorrufen kann. Aber das ist keine Lösung, ist nicht der Schlüssel zum Frieden. Der Weg doerthin führt nur über die Vergebung, die Versöhnung und die Beachtung der Sprache, der Kultur, des Glaubens jenes Volkes mit dem man denselben geographischen Raum bewohnt.
Wir können stolz darauf sein dazu beigetragen zu haben, dass der Faschismus besiegt wurde. Es freut uns, dass das offizielle Österreich den Widerstandskampf in Kärnten anerkennt und bei der Wiedergutmachung auch die überlebenden Opfer der slowenischen Volksgruppe beachtet. Wir haben keinen Grund die Zeit der Naziverbrechen in Kärnten dem Vergessen zu überlassen. Wir wollen aber auch keine pauschale Verurteilung hervorrufen. Es wäre aber auch an der Zeit, dass Leute, die sich an die Seite des verbrecherischen Regimes stellten, zugeben würden, der falschen Sache gedient zu haben und nicht unser Land verteidigt zu haben. Denn die Grenzen unserer Heimat waren auch damals nicht in Finnland, in Russland, am Balkan oder in Afrika. Daher betone ich: Vergeben ja, aber niemals vergessen, sondern erinnern! Das sind wir den Opfern schuldig, deren Andenken wir uns in Ehre verneigen.

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