TEXTE
Aus dem Gedächtnis in die Erinnerung
holen:
Abschied von Pfarrer Anton Koperek.
Lesung vorgetragen von der Katholischen
Studentenverbindung 'Tauriskia'
Sprecher A
Anton Koperek, Priester der Diözese Gurk, wurde am 28. Februar
1902 in Essen an der Ruhr geboren. Er entstammte einer kinderreichen,
wenig begüterten Bergarbeiterfamilie. Nach der achtklassigen
Volksschule absolvierte er das Humanistische Gymnasium in Kempen
am Rhein, wo er mit 21 Jahren die Reifeprüfung ablegte. Im
Jahre 1924 wurde Anton Koperek in das Priesterseminar der Diözese
Gurk in Klagenfurt aufgenommen, wo er 1928 die Priesterweihe erhielt.
Es folgten Anstellungen des jungen Mannes als Kaplan in verschiedenen
Kärntner Gemeinden, unter anderem auch in St. Martin bei Villach.
Im Februar 1940 wurde Anton Koperek die über dem Drautal nahe
dem Weißensee gelegene Pfarre Kreuzen übertragen. Schon
im März kam es seitens der Villacher Gestapo zu einer Hausdurchsuchung
im Kreuzener Pfarrhof, wobei eine Fahne des ehemaligen Katholischen
Burschenbundes beschlagnahmt wurde. Der ältere Bruder von
Anton Koperek, Franz, war ebenfalls Priester der Diözese Gurk.
Er betreute die Pfarre St. Paul bei Ferndorf auf der gegenüberliegenden
Seite des Drautales. Beide beherrschten die polnische Sprache und
führten mit den dortigen polnischen Zwangsarbeitern Gespräche.
Deshalb waren sie andauernden Bespitzelungen seitens der Bevölkerung
ausgesetzt. Mehrmals wurden sie denunziert und von der Villacher
Gestapo einvernommen.
Sprecher B
Geheime Staatspolizei Klagenfurt - 14. Mai 1942
An den Gendarmerieposten Paternion
Betrifft: Besuch der Auferstehungsfeier durch die Polen in Ferndorf
„Aus dem Lagebericht der Kreisleitung Villach wurde folgende
Notiz entnommen:
Der Seelsorger der Ortsgruppe Ferndorf wurde im Herbst vergangenen
Jahres darauf aufmerksam gemacht, dass Polen dem Gottesdienst der
Bevölkerung fernzubleiben haben. Der Pfarrer läuft nun
den Polen förmlich nach und lädt sie zur Feier der Auferstehung
ein. Am Ostersonntag kamen Polen gemeinsam mit Deutschen aus der
Kirche, in den Händen den Palmbesen. Ich ersuche Zeugen auszumitteln,
niederschriftlich zu vernehmen und die Niederschriften in zweifacher
Ausfertigung anher vorzulegen. Gleichfalls ersuche ich, nach Einvernahme
der Zeugen, den Geistlichen zu vernehmen. Sollte dabei festgestellt
werden, dass die Polen gemeinsam mit der übrigen Bevölkerung
die Kirche besucht haben, ist der Pfarrer in Haft zu nehmen und
dem zuständigen Amtsgericht zur Verfügung der Staatspolizei
Klagenfurt einzuliefern.“
Sprecher C
Aus der Vernehmungsniederschrift des Gendarmeriepostens Ferndorf,
aufgenommen am 29. Mai 1942 mit Frau Aloisia Oberrisser, Gattin
des Malermeisters und Ortsgruppenleiters von Ferndorf:
„Ich habe am 29. März 1942 am Palmsonntag beim Fenster
meiner Wohnung hinausgeschaut, welche sich in nächster Nähe
der katholischen Pfarrkirche befindet und habe bemerkt, dass die
deutschen Kirchenbesucher gemeinsam mit Polen aus der Kirche herausgekommen
sind. Soviel mir bekannt ist, hat an diesem Sonntag nicht der Ortspfarrer
Franz Koperek sondern dessen Bruder Dr. Anton Koperek, Pfarrer
in der Kreuzen bei Paternion, den Gottesdienst gehalten. Nach dem
Gottesdienst habe ich auch gesehen, dass die polnischen Landarbeiter,
die ich zwar den Namen nach nicht kenne, bei meiner Wohnung vorbei
gegangen sind. Es dürften damals sieben oder acht Polen oder
Ukrainer gewesen sein. Ob dies alles Polen oder Ukrainer gewesen
sind, kann ich nicht mit Bestimmtheit angeben. Eine Landarbeiterin,
die beim Besitzer Gabler in Laas, Gemeinde Fresach bedienstet ist,
geht jeden Sonntag in die Kirche. Ob diese eine Polin oder Ukrainerin
ist, kann ich auch nicht mit Bestimmtheit angeben. Ich und meine
Tochter Ilse haben schon des Öfteren bemerkt, dass der Pfarrer
mit den polnischen Landarbeiterinnen und Landarbeitern sehr freundschaftlich
verkehrt und mit ihnen des Öfteren spricht.“
Sprecher A
Anton Koperek wurde am 28. Mai 1942 in der Kreuzen verhaftet und
an die Gestapo Villach überstellt. Drei Tage später wurde
er an die Gestapo nach Klagenfurt überstellt, wo ihn sein
Bruder Franz mit Lebensmittel versorgen konnte. Am 10. Juli 1942
wurde Anton Koperek in das Konzentrationslager Dachau deportiert,
wo er die Nummer 31534 zugeteilt bekam. Eine Gerichtsverhandlung
fand nicht statt. Anton Koperek war nicht der einzige Pfarrer,
der der Willkür des NS-Regimes ausgesetzt war. Bis zum Sommer
1942 sind 2700 Geistliche aus dem Deutschen Reich und den besetzten
Gebieten in das KZ Dachau verschleppt worden.
Seinen letzten Brief aus dem KZ Dachau schrieb Anton Koperek Ende
September 1942 an seine Mutter Anna Koperek, die damals bei ihrem
Sohn Franz in St. Paul ob Ferndorf wohnte.
Sprecher B
„Liebe Mutter!
Vielen Dank für Euern lieben Brief! Ich habe mich sehr gefreut!
Leider sind die anderen Briefe noch nicht angekommen. Der Brief
mit den zwei großen Leinentaschentüchern und der große
Brief mit den Gummipantoffeln sind leider verloren gegangen. So
was hätte eingeschrieben abgehen sollen.
Machet Euch keine großen Sorgen! Schreibet so, dass ich
Euch antworten kann beim nächsten Briefschreiben. Franz danke
ich besonders. Wenn Fini im Oktober vom Arbeitsdienst abrüstet,
dann möge sie nach Möglichkeit den alten Posten wieder
antreten. Im Übrigen hat Franz volle Handlungsfreiheit betreff
meinem Haushalt und die finanziellen Dinge. Sonst denke ich wenig
an die Vergangenheit und lebe von der Hoffnung eines baldigen Wiedersehens.
Ich lasse die Kreuzen grüßen, den Dekanatsklerus, Exzellenz
Kadras und Funder. Ebenso Familie Hak.
Übrigens können auch andere schreiben, schreibt mir
viel und besonders betreffs meiner Pfarre. Lasset es Euch gut gehen.
Ich wünsche Euch alles Gute. Lebet wohl. Sandrisser, Durnig,
Fini besondere Grüße. Ebenso Josef, Änne, Lisbet,
Thekla und Hans. Ich grüße Euch herzlichst und verbleibe
in dankbarer Liebe
Euer Sohn und Bruder
Sprecher C
Am 17. Dezember 1942 bekam die Mutter Anna Koperek von der Lagerleitung
des KZ Dachau die Mitteilung, dass ihr Sohn Anton verstorben ist:
„Ihr Sohn Anton Koperek, geboren am 28. Februar 1902 zu
Essen ist am 10. November 1942 an den Folgen von Darmkatarrh im
hiesigen Krankenhaus verstorben. Die Leiche wurde am
14. November im staatlichen Krematorium in Dachau eingeäschert.
Gegen die Ausfolgung der Urne bestehen, wenn eine Bescheinigung
der örtlichen Friedhofsverwaltung beigebracht wird, keine
Bedenken. Der Totenschein ist anliegend beigefügt.
Gezeichnet – der Lagerkommandant SS-Sturmbannführer
Gottfried Weiß.“
Sprecher A
Die Aschenurne von Anton Koperek wurde im März 1943 auf dem
Friedhof in der Kreuzen beigesetzt. Das kleine Kirchlein war voll
mit Gläubigen besetzt. Von den Angehörigen war die Mutter
zugegen und seine Schwester Elisabeth mit ihrem Mann und ihren
beiden Kindern. Sein Bruder Franz war auf Anraten des Ordinariats,
um politische Schwierigkeiten zu umgehen, nicht anwesend. Denn
auch die Gestapo war zugegen.
Im Jahre 1950 wollte Elisabeth, eine Schwester von Anton Koperek,
den Fall vor Gericht aufrollen, um die Schuldigen am Tod ihres
Bruders Anton zu ermitteln. Es ging ihr darum, jene Personen zu
finden, die ihren Bruder bei der Gestapo denunziert hatten, damit
sie ihre Schuld öffentlich eingestehen. Das ist wohl der erste
und wichtigste Schritt sowohl für die Täter als auch
für die Opfer, um mit diesen schrecklichen Ereignissen zu
Rande zu kommen. Diesbezüglich wandte sie sich an den damaligen
Pfarrer in der Kreuzen, der jedoch um des lieben Friedens willen
in seiner Gemeinde, wie er sagte, davon nichts wissen wollte. So
wurde der Mantel des Schweigens darüber gebreitet. Fortan
gab es im Zusammenleben zwischen den Menschen in der Kreuzen immer
etwas Unausgesprochenes.
Sprecher B
In einem Brief, verfasst am 27. April 1950, schreibt der damalige
Pfarrer an die Schwester von Anton Koperek.
„Liebe Frau Elisabeth!
Beim Lesen Ihres Schreibens an das Pfarramt Kreuzen, aber noch
deutlicher aus Ihrem Schreiben an die Fam. Durnigg, geht hervor,
dass Sie die ganze Frage über den Tod Ihres Bruders aufrollen
wollen. Darf ich als Freund Ihrer beiden Brüder dazu Folgendes
vermerken. Der verstorbene Freund Franz hat mir wiederholt, sowohl
persönlich, als auch in Gegenwart von Zeugen bestätigt,
dass ein Haftbarmachen der vermutlichen Schuldigen am Tod Ihres
Bruders Anton nicht in Frage kommt.
Er hat das persönlich so begründet:
Als ersten Grund gab er an, dass Anton nicht mehr lebendig wird.
Eine Rehabilitierung des Verstorbenen komme nicht in Frage, da
ja niemand von seiner eigentlichen Schuld überzeugt war. Die
amtlichen Angaben der Schuld, dass er mit drei Polen Gottesdienst
vereinbart hat, ist heute kaum zu eruieren, sodass die auch kaum
in die Waagschale eines ordentlichen Gerichtes eingesetzt werden
könnte.
Als zweiten Grund gab der verstorbene Bruder Franz an, dass er
als Priester die Feindesliebe beispielhaft hochhalten müsste
und dies auch unter allen Umständen tun wollte.
Als dritten Grund gab er an, dass ein Aufrollen der Frage große
Schwierigkeiten in die Seelsorge der Pfarre Kreuzen hineinbringen
würde und großen Schaden für die Pfarrgemeinde
bedeuten würde. Nun lassen Sie mich persönlich dazu schreiben,
dass ich den Standpunkt des verstorbenen Freundes Franz unter allen
Umständen teile, und als jetziger Seelsorger besonders den
dritten Punkt festhalte. Deshalb bitte ich Sie die Angelegenheit
Ihres verstorbenen Bruders Anton auf sich beruhen zu lassen.
Sollten Sie aber dennoch meinen Rat nicht befolgen, dann müsste
ich trotz meiner Freundschaft für Ihren verstorbenen Bruder
Franz meine Hilfe bei den für ihn so verwickelten
Testaments Angelegenheiten zurückziehen. Diese habe ich vorläufig
als Freund in der Hand und würde sie auch weiter behalten.
Eine Bitte, die ich Franz auf dem Sterbebette zu erfüllen
versprochen habe.
Es soll das Letzte lediglich als Tatsache vermerkt werden.“
Sprecher C
Die Grabstätte von Franz Koperek befindet sich heute in St.
Paul ob Ferndorf, wo er zusammen mit seiner Mutter Anna begraben
ist. Dort befindet sich auch eine Gedenkinschrift für Anton
Koperek. Die Verwandten, die immer wieder nach Kärnten kommen,
um die Grabstätte zu besuchen, leben in Essen.
Das Grab von Anton Koperek befindet sich bei der Kirchenmauer
in der Kreuzen.
Die Inschrift lautet:
Hier ruht in Gott
Dr. Dr. Anton Koperek – Pfarrer in Kreuzen - 1902 – Essen
-1942 – Lager Dachau
Quelle: Diözesanarchiv, Personalakte Koperek; DÖW 1282,
6241, 8388; Personalstand Diözese Gurk 1938-1942; Nekrologium
der Diözese Gurk; Lenz, Christus von Dachau; alles zitiert
nach Andrea Lauritsch in alpe adria 5/94. Archiv der KZ-Gedenkstätte
Dachau. Gedenktafel auf der Außenmauer der Kirche in der
Kreuzen bei Paternion. Gegen den Nationalsozialismus, A. Walzl,
S. 158. Das Jahr 1938 in Kärnten und seine Vorgeschichte,
W. Wadl und A. Ogris, S. 235. Blutzeugen des Glaubens, Martyrologium
des 20. Jahrhunderts, Dom Verlag, S.149. Kontakt über E-mail
mit Albert Koperek, Neffe von Anton Koperek, wohnhaft 45289 Essen,
Taubenstraße 4b. Briefe von Franz Koperek und von Elisasbeth,
Schwester von Anton Koperek. Grab von Franz und Anna Koperek und
Gedenktafel von Anton Koperek auf dem Friedhof in St. Paul ob Ferndorf.
Gab von Anton Koperek auf dem Friedhof in der Kreuzen.
Lesung vorgetragen von
der Katholischen Studentenverbindung Tauriskia am 25. Oktober
2008
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