ZEITDOKUMENTE
Anzeige von Leon Zwerling wegen der
Verwüstung seiner
Wohnung anlässlich
des Villacher Judenpogroms November 1938, eingebracht im
Oktober 1945
Bezirksgericht Villach
Abt. 1, den 21. Okt 1945
Gegenwärtig: Dr. Felber
Es erscheint Herr Leon Zwerling,
Bahnbeamter i. R. in Villach, Oberer Heidenweg Nr. 34
und erstattet
folgende
ANZEIGE:
Ich war bis April 1939 Eigentümer des Hauses Villach, Oberer
Heidenweg Nr. 34. Da ich Volljude bin, wurde ich vom Finanzamt
Villach veranlasst, das Haus zu verkaufen. Am 16. Nov. 1942 bin
ich über Auftrag der Gestapo nach Wien übersiedelt, von
wo ich am 11. Okt. 1945 wieder zurückgekehrt bin.
Am 10. November 1938 um ca. 4 Uhr nachmittags erschien in meinem
Haus Villach Oberer Heidenweg Nr. 34 der Kaufmann F. W. Villach
Peter Roseggerstrasse 9, der Malermeister F. M. Villach Meerbothstrasse
Nr. 1, der Arbeiter H. L. Villach Rennsteinerstrasse Nr. 10, ein
gewisser H. T. dzt. Wohnhaft in Radenthein und der Jugendliche
J. L. Ich war damals gerade im Garten beschäftigt. Einer von
den angeführten Personen sagte mir, zuerst, der Sturmführer
wolle mich sprechen.
Der Malermeister Friedrich Meier, gab sich mir gegenüber
als Sturmführer aus und forderte mich mit den Worten „Jude
gib die Waffen heraus“ auf zur Waffenabgabe. Ich erwiderte,
dass ich keine Waffen habe und dass sie beruhigt meine Wohnung
nach solchen durchsuchen können. Es begaben sich dann alle
Vorgenannten in meine Wohnung im ersten Stock. Auf die neuerliche
Aufforderung zur Herausgabe von Waffen, beteuerte ich keine zu
besitzen, worauf Friedrich Meier das Kommando los gab. Alle 5 Personen,
die gegen meinen Willen in meine Wohnung eingedrungen waren, machten
sich dann daran, meine Wohnungseinrichtung zu zerstören. Es
dauerte kaum eine halbe Stunde und fast meine gesamte Wohnungseinrichtung
von 2 Zimmern, 1 Küche, 1 Speis und eines Badezimmers waren
demoliert. Die genannten haben nicht nur Einrichtungsgegenstände,
sondern auch Geschirr, Lebensmittel und dergleichen vernichtet.
Ich schätze den mir daraus erwachsenen Schaden auf mindestens
6 bis 8 000 Schilling. Nach diesem Zerstörungswerk sind sie
wieder fort und haben hinter sich die Wohnungstür abgesperrt
und den Schlüssel von außen stecken lassen, sodass ich
mit meiner Frau genötigt war, die Wohnung durch herablassen
der Küchenbalken zu verlassen. Meine Frau und ich wurden bei
diesem Anlass mit den Worten Saujud, Judenweibl und ä. beschimpft.
Wir haben uns über diese mutwillige Zerstörung unseres
Eigentums sehr aufgeregt. Meine Frau ist 66 Jahre alt und ich bin
schon 75 Jahre.
Ich bin in der Lage mehrere Zeugen über diesen Vorfall anzuführen.
In der Folge musste ich mit meiner Frau, da wir gar keine Betten
hatten, mehrere Tage auf den Boden liegen. Später erhielten
wir von Verwandten Betten und Geschirr. Wir besaßen mehrere
Service, die ebenso zerschlagen wurden. Außerdem wurden u.
a. 53 Gläser mit Eingekochten vernichtet.
Ich bitte gegen die 5 Vorgeführten Personen das Strafverfahren
wegen Verbrechen des Hausfriedensbruches, Einschränkung der
persönlichen Freiheit und der boshaften Sachbeschädigung
einzuleiten.
Ich schließe mich dem Strafverfahren vorläufig mit
Schadenersatzansprüchen in der Höhe von S. 8000.- als
Privatbeteiligter an.
Meine Frau hat infolge der Aufregung einen Nervenzusammenbruch
erlitten und war mehrere Wochen krank und bettlägrig.
Unterschrift
Leon Zwerling
Auszüge aus der Vernehmungsprotokoll des
Beschuldigten
Friedrich Meyer
[……….]
Ich bekleidete bei der SA in Villach den Rang eines Sturmführers.
Am l0.November 1938, als ich von der Arbeit nachhause kam, lag
auf dem Tisch in meiner Wohnung ein schriftlicher Auftrag, der
von einem Melder der SA-Standarte Villach überbracht wurde,
auf welchem geschrieben stand, dass ich mich unverzüglich
bei der Standarte der SA einzufinden habe. Ich begab mich auftragsgemäss
zur SA-Standarte in Villach, Kernstockstrasse. Dort habe ich vom
seinerzeitigen Obersturmführer der SA Huber Franz den Auftrag
erhalten, in die Wohnung des Leon Zwerling zu gehen u. dort unter
den Vorwand nach Waffen zu suchen, in die Wohnung desselben Einlass
zu erlangen u. dort die Wohnungseinrichtung u.s.w. zu zerstören.
Huber erklärte mir bei diesem Auftrag, dass gegen die Juden
eine große Aktion in Vorbereitung sei. Huber erklärte
mir weiters, dass ich einige Männer der SA verständigen
möge, die bei dieser Aktion teilzunehmen haben. Auf Grund
dieses Befehles suchte ich einige Männer der SA zusammen.
[……..] Wir begaben uns denn in die Wohnung des
Zwerling. Ich hatte den Auftrag die ganze Aktion zu leiten. Ich
erklärte Zwerling der gerade im Garten arbeitete, dass ich
mit den anderen Männern den Auftrag habe bei ihm eine Haussuchung
vorzunehmen bzw. nach Waffen zu suchen. Zwerling begab sich
mit uns sogleich in seine Wohnung. Auf dem Weg dorthin erklärte
mir Zwerling, dass er keine Waffen besitze. Ich habe den 3 SA-Männern
auf dem Wege bereits erklärt, was in der Wohnung des Zwerling
zu machen ist, dabei gab ich ihnen den Auftrag alles was in der
Wohnung ist zu zerstören. Wir gingen alle in die Wohnung des
Zwerling und begannen dort mit der Zerstörung der Wohnungseinrichtung
und dgl.
[…….] Während meines Aufenthaltes in der Küche
habe ich gehört, wie Kästen umfielen und auch noch andere
Gegenstände auf den Boden geworfen wurden. Als die Zerstörung
im Schlafzimmer beendet war, kamen alle in die Küche. Ich
selbst habe mich an der Zerstörung des in der Küche vorhandenen
Geschirrs beteiligt. Bemerken möchte ich, dass in der Küche
selbst nur ich allein die Gegenstände zerstört habe.
Die Zerstörung beschränkte sich nur auf das Schlafzimmer
und die Küche. In den übrigen Räumen wurde nichts
beschädigt. Es kann möglich sein, dass während der
Zerstörungsaktion einige Schimpfworte gefallen sind. Ich glaube,
dass jeder von uns einige dieser Worte wie Judenweibl, Saujuden
u.s.w. gebraucht hat.
[……..] Ich bin mir meiner Schuld vollkommen bewußt
u. sehe auch ein, dass wir uns in der Wohnung nicht menschlich
benommen haben. Ich stehe für meine unrechtmäßige
Handlungsweise vollkommen ein.
[……] Ich stelle richtig, dass auch im Wohnzimmer
Sachen beschädigt wurden.
Unterschrift
Friedrich Meier
Quelle: Landesgericht Klagenfurt, Strafakten Sch 196 Vr 463/46
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