Erinnern an die Opfer der Nationalsozialistischen Gewalt, Villach / Kärnten


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ZEITDOKUMENTE

Zeugen-Vernehmungsniederschrift, 22.09.1947

Abschrift des Strafakts aus dem Kärntner Landesarchiv.
Nr.: KLA LG Strafakten / Sch 257, Vr 2831/46
( Abschrift gemacht von Hans Haider)

Zeugen-Vernehmungsniederschrift.
Villach, den 22. 09. 1947

Es erscheint auf Vorladung
Petschar Johann

geb. 23. 10. 1900 in Töplitsch, Bezirk Villach, Kärnten, nach Kellerberg, Bezirk Villach, Kärnten zuständig, röm. kath., verh., Landwirt, in Töplitsch Nr. 21, Bez. Villach wohnhaft.

Der Genannte wurde als Zeuge vernommen und gibt mit dem Gegenstande vertraut gemacht, zur Wahrheit ermahnt folgendes an:

Ich war während des Nazi-Regimes als Polizei-Reservist zum Polizeiamt Villach zur Dienstleistung eingezogen worden. Ungefähr 3 Jahre habe ich Dienst im Polizeigefangenenhaus des genannten Amtes gemacht.

Während der 3 Jahre meiner Dienstzuteilung als Arrestmeister hatte ich genügend Gelegenheit, die seinerzeitigen Gestapobeamten kennenzulernen. Je nach ihrer Mentalität hatten diese Beamten verschiedene Methoden bei Vernehmungen von Häftlingen. Besonders grob und unbeherrscht haben sich, soviel ich mich erinnere, Werba, Glatz und Demmelhuber benommen.

Es war üblich, dass der jeweilige Gestapobeamte, der einen Häftling zur Vernehmung brauchte, dies telefonisch dem Arrestmeister bekanntgab. Dieser hatte dann entweder selbst oder aber der Gefangenhausgehilfe den gewünschten Häftling dem Gestapobeamten vorzuführen.

Ich selbst habe derartige Vorführungen während meiner dreijährigen Dienstzeit sehr oft getätigt und unter anderem habe ich auch dem Gestapobeamten Werba verschiedentlich Häftlinge zur Vernehmung vorgeführt. Werba hatte bei den Vernehmungen die Gewohnheit, den vorgeführten Häftling auf das schwerste zu misshandeln, wenn dieser dem Beamten in Bezug auf das gewünschte Geständnis nicht einging. Werba benützte zu Misshandlungen stets einen Gummiknüppel in ungefährer Daumenstärke und ca. 60 bis 70 cm lang. Mit diesem Knüppel schlug Werba dann rückhaltlos und ohne auf bestimmte empfindliche Körperteile zu achten einfach blindlings auf den Häftling los. Bei derartigen Misshandlungen fielen auf den Häftling hageldichte Schläge über Gesicht, den Kopf und hinter die Ohren. Sehr oft wurden Häftlinge auf diese Art blutig geschlagen. Es kam sogar vor, dass bei Häftlingen, die Misshandlungen erleiden mussten, der Austritt der Exkremente in die Hose erfolgte.

Ein Fall ist mir gut in Erinnerung. Es handelte sich damals um drei Ausländer und zwar um die russischen Staatsangehörigen

SIROKIN JUAN, geb. 30. 08. 1924 in Kursk/Russland
KASSULIN MICHAEL, geb. 05. 02. 1923 in Kursk/Russland und
GOLLOBIN WASIL, geb. 10. 03. 1924 in Wasowska bei Kursk/Russland

Die genannten wurden wegen ihrer angeblichen Bandentätigkeit in Treffen und Umgebung durch die Gestapo Villach in Haft gesetzt. Sie standen mit anderen Verbrecherbanden in Kontakt und sollen verschiedene Raubüberfälle, darunter auch einen Bauern mit 7 Kindern erschossen haben. Die Gestapo dürfte damals mit dem Gendarmariepostenkommando in Treffen bei Villach die diesbezüglichen Erhebungen geführt haben. Über den genauen Verlauf dieser Erhebungen ist mir jedoch nichts bekannt.

Unterschrift:
Hans Petschar

Am 9. Jänner 1945 gab mir der Gestapobeamte Demmelhuber fernm. den Auftrag, den genannten Ausländern keine Abendkost zu verabreichen. Auf meine Frage über den Grund dieses Befehls, erklärte er mir, ich soll ihnen sagen lassen, sie hätten ihre Zelle nicht in Ordnung gehalten. Aus welchem Grunde diese Massnahme getroffen wurde, war mir zu dieser Zeit nicht bekannt. Kurz darauf erkundigte er sich, wieviel Schliessketten das Polizeigefangenenhaus verfüge. Ich hielt es aber als eine selbstverständliche Pflicht ihnen das Abendessen zu geben. Um ca. 20.00 Uhr des 9. Jänner gab Demmelhuber den neuerlichen Auftrag, dass die besagten Russen um 6.00 Uhr Früh gestellt sein müssen, ohne jedoch irgend eine andere Bemerkung zu machen.

Am 10. Jänner 1945 um 6.05 Uhr wurde ich durch den Gestapobeamten Demmelhuber telefonisch beauftragt, die Tür im ersten Stock des Polizeigefangenenhauses zu öffnen. In der Tür erschien der damalige Kommissar der Gestapo, namens Conle, und die Gestapobeamten Werba, Glatz und Demmelhuber. Der Kommissar Conle erkundigte sich kurz, wo die drei Ausländer sich in Haft befinden, machte die Türe zur Zelle 3 oder 4 auf und ging mit den besagten Ausländern in die Aufnahmekanzlei. Dort wurden ihnen die Schliessketten von einem Gestapobeamten angelegt. Nachher gingen alle zusammen mit den 3 Häftlingen in den Polizeigefangenenhof. Kurz darauf holte ein Gestapobeamter , der Name desselben ist mir nicht mehr in Erinnerung, die beiden Gestapospitzel, die polnischen Staatsangehörigen

Fall Michael, geb. 16. 11. 1918 in Isdebki, Polen, und
Kowal Wasil, geb. 11. 09. 1919 in Isdebki, Polen

und ging mit ihnen in den Gefangenenhaushof. Die beiden befanden sich zu dieser Zeit im Polizeigefangenenhaus nicht in Haft. Ich verblieb aber weiter in der Aufnahmekanzlei und erledigte schriftliche Arbeiten. Auf Grund der zweimaligen Aufforderung des Kommissars Conle sah ich mich gezwungen, gleich darauf auch in den Gefangenenhaushof zu gehen, wo dann die Exekution der 3 Ausländer stattfand. Das Todesurteil wurde zuerst durch einen der zwei Gestapospitzel in russischer Sprache verlesen, worauf der Kommissar Conle die Übersetzung in deutscher Sprache bekanntgab. Er erklärte unter anderen wörtlich:

"Der Führer hat diesen Menschen Arbeit und Brot gegeben, sie haben es aber vorgezogen, ihre Arbeitsstätte zu verlassen und sich den Banditen anzuschliessen. Darunter haben die genannten zahlreiche Einbrüche verübt, die Bevölkerung in Furcht und Unruhe versetzt und einen Familienvater von 7 Kindern erschossen. Daher hat sie der SS-Führer und Chef der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, zum Tode durch den Strang verurteilt."

Nach der Verlesung des Todesurteils durch Conle erfolgte die Exekution der 3 Ausländer durch die beiden Gestapospitzel Fall und Kowal. Die Ausländer SIROKIN, KASSULIN, und GOLLOBIN wurden durch Stricke an den Fensterkreuzen des Hofes erhängt. Die anwesenden Gestapobeamten übten dabei keine Henkertätigkeit aus. Der Tod der genannten Ausländer dürfte gleich eingetreten sein und die Erhängten blieben in ihrer Lage zur weiteren Besichtigung durch die in Villach und Umgebung beschäftigten und wohnhaften Ausländer. Die Ausländer wurden kurzerhand mit Kraftwagen zum Polizeigefangenenhaus gebracht und mussten sich die 3 Gehängten dort ansehen. Bei jeder Besichtigung wurde durch Conle, bzw. durch einen Gestapospitzel das Todesurteil neuerlich verlesen.

Zur Zeit der Exekution war es im Polizeigefangenenhaus noch sehr dunkel und dürfte schon aus diesem Grunde der Verlauf derselben von anderen Polizeiangehörigen kaum beobachtet worden sein. Später jedoch wurde dieser Vorfall auch anderen Personen im Polizeiamte bekannt.

Ich erkäre nochmals, dass an der Exekution der 3 Ausländer, die anwesenden Gestapobeamten keine Hand angelegt haben.

Die von mir in vorstehender Vernehmungsniederschrift gemachten Angaben entsprechen in jeder Hinsicht der vollen Wahrheit und ich bin selbstverständlich bereit, sie vor Gericht zu beeiden.

Unterschrift:
Hans Petschar